Heike Böhmer, Geschäftsführerin IFB Hannover, im Experteninterview

Aktueller Bauschadenbericht Hochbau

Wie steht es um die Planungs- und Bauqualität in Deutschland?

Wie steht es um die Planungs- und Bauqualität in Deutschland? Mit welchen Bauschäden und Herausforderungen hat die Branche zu kämpfen und wie können Sie ihnen entgegenwirken? Dipl.-Ing. Heike Böhmer, geschäftsführende Direktorin IFB Hannover, liefert einige Antworten – im Interview und im aktuellen Bauschadenbericht.

Forschungsergebnisse zu steigenden Bauschadenkosten

Dipl.-Ing. Heike Böhmer (Foto: Wehowsky)

Auf den VHV Bautagen 2020 haben wir zusammen mit dem Institut für Bauforschung (IFB) die Ergebnisse des aktuellen Forschungsberichts "Steigende Bauschadenkosten – sinkt die Bauqualität als Folge der guten Konjunktur?" präsentiert.

Institutsleiterin Dipl.-Ing. Heike Böhmer hat uns ein paar Fragen zum Forschungsbericht beantwortet und gibt einen Einblick in die Planungs- und Bauqualität in Deutschland, Österreich und Frankreich. Zusätzlich gibt's Tipps zur Prävention.

Dipl.-Ing. Heike Böhmer (Foto: Wehowsky)

Frau Böhmer, mit was beschäftigt sich der Bericht?

Wir haben in unserem Bericht drei Schwerpunkte betrachtet: So geben wir zunächst einen Überblick in die „Theorie“ des Bauens. Zum zweiten haben wir aktuelle Schadendaten auf der Basis umfangreicher Analysen ausgewertet und diese um beispielhafte Schadenfälle ergänzt. Komplettiert wird der Bericht durch Ideen, Strategien und Konzepte zur Erhöhung der Bauqualität verschiedener Akteure der Bauwirtschaft.

Wie steht es um die Planungs- und Bauqualität in Deutschland?

Was Sie ausdrücklich nicht in unserem Bericht finden, sind Belege für schlechte Planungs- und Bauqualität in Deutschland – ganz im Gegenteil! Der Bericht unterstreicht, dass die Planungs- und Bauqualität in Deutschland – vor allem vor dem Hintergrund des riesigen Bauvolumens, das wir aktuell haben – grundsätzlich gut ist. Aber: Der Bericht zeigt auch, dass das Potenzial für Verbesserung vorhanden ist. Das gemeinsame Ziel aller am Bau Beteiligten muss es also sein, dafür zu sensibilisieren, um die Potenziale zur weiteren Verbesserung der Qualität beim Planen und Bauen zu nutzen.

Worin bestehen die größten Unterschiede in den Ländern Deutschland, Österreich und Frankreich hinsichtlich aktueller Anforderungen und Probleme im Hochbau?

Die größten Unterschiede liegen in teils anderen Versicherungssystemen und –strukturen sowie den jeweiligen landestypischen bzw. regionalen Anforderungen. Und die vergleichende Analyse der Schadendaten der drei Länder hat bei den Schwerpunktschäden eine unterschiedliche Rangfolge ergeben: So gibt es die häufigsten Schäden in Frankreich an Wärmedämm-Verbundsystemen und im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen. In Österreich fanden sich die häufigsten Schäden an erdberührten Bauteilen. In Deutschland ist der Bereich Fassaden und Fenster derjenige, der die meisten (Haftpflicht-)Schäden aufweist. Grundsätzlich sind die Grundprobleme jedoch in allen drei Ländern ähnlich, sogar fast gleich: Wasser- bzw. Feuchteschäden und Schäden an der Baukonstruktion kommen auf häufigsten vor. Als Ursachen dafür sind übereinstimmend Fehler beim Schutz des Bauwerks/der Leistung (z. B. vor eindringendem Wasser), Fehler bei der Ausführung sowie eine Zunahme der Mängel/Fehler im Planungs-/Bauüberwachungsprozess erkennbar.

Was sind die Ursachen für steigende Bauschadenkosten?

Unsere Analyse der Schadenkosten, -arten, -ursachen- und der betroffenen Bauteile hat ergeben, dass es grundsätzlich zu komplexeren Bauschäden kommt. Das heißt, in der Regel sind gleich mehrere Bauteile betroffen, nicht selten sogar das komplexe Bauwerk in seiner Funktion insgesamt. Hinzu kommen grundsätzlich steigende Baukosten für Material, Lohn und Nebenkosten. Und nicht zuletzt verzeichnen wir aktuell in der Regel steigende Kosten für die Schadenbearbeitung/-regulierung durch Sachverständigen-, Anwalts- und Gerichtskosten.

Was können Bauunternehmen dagegen tun?

Diese drei Kosten-Trends sind schwerlich umzukehren. Deshalb muss der Ansatz lauten: Den Schaden, bzw. sogar den häufig dafür verantwortlichen Mangel, bereits im Vorfeld am besten ganz vermeiden.

Mit welchen Herausforderungen wird die Branche in Zukunft zu kämpfen haben?

Eine der größten Herausforderungen ist – wie oben bereits erwähnt – die Komplexität im heutigen Planungs- und Bauprozess. Die Anforderungen beim Planen und Bauen insgesamt sind definitiv gestiegen. Demgegenüber stehen jedoch ein zunehmender Fachkräftemangel sowie nicht selten mangelnde Fachkräftekompetenz. Hier muss die Branche in Bezug auf Fachkräftebindung, Aus- und Weiterbildung engagiert agieren, um für Arbeitnehmer attraktiv zu bleiben. Eine weitere große Herausforderung ist die Digitalisierung, die unsere gesamte Branche vor große Aufgaben stellt und weitgreifende Umstrukturierungen notwendig macht. Großer Punkt: der Schutz von Daten bzw. vor Cyberkriminalität. Auch hier braucht es zunächst vor allem mehr Information zu diesem wichtigen Thema und nicht zuletzt auch neue Konzepte seitens der Unternehmen und der Versicherungen.

Welche Tipps geben Sie Bauunternehmern für ein erfolgreiches Geschäftsjahr 2020?

Eine gute Qualität im Planungs- und Bauergebnis zu erreichen, ist mit Hilfe von klugen und nachhaltigen Planungs- und Bauprozessen möglich. Und dies auch – oder trotz bzw. wegen – der guten Konjunktur und der gestiegenen Anforderungen. Dafür ist jedoch fundiertes Fachwissen – und dessen Weitergabe – notwendig. Unser Tipp lautet deshalb: Alle Prozesse im Unternehmen immer wieder zu hinterfragen bzw. im Hinblick auf Funktion, Nutzen, Wirtschaftlichkeit, Schadenanfälligkeit und Verbesserungsmöglichkeiten zu überprüfen. Von Wichtigkeit sind daneben Überlegungen zur Nutzung neuer Prozesse und Mittel, zum Beispiel im Rahmen der Digitalisierung.

Zusammenfassend lassen sich drei wichtige Stichworte formulieren: Kompetenzschulung, Kommunikation und Zusammenarbeit.

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Alle Details: Den kompletten Bauschadenbericht Hochbau "Steigende Bauschadenkosten – sinkt die Bauqualität als Folge der guten Konjunktur?" können Sie auf unserer Website VHV Bauforschung herunterladen. Der breitgefächerte Bericht überzeugt vor allem durch seinen Blick über den Tellerrand und sorgt für wertvolle Denkanstöße.

Helfen Sie mit!

Das IFB freut sich immer über Ihre Mitarbeit: Wenn Sie sich an künftigen Berichten beispielsweise durch die Bereitstellung eigener Schadenfälle und Strategien beteiligen möchten, nehmen Sie bitte direkt Kontakt mit Frau Tebben auf.
KontaktBitte senden Sie uns eine E-Mail an: tebben[at]bauforschung.de

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